Ehrenamt sozial und fair gestalten

Verfasst von Arne Bode

Über 23 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland in den verschiedensten Bereichen. Vom Engagement im lokalen Fußballverein über die Betreuung und Integration von nach Deutschland migrierten Personen bis hin zur Rettung von Rehkitzen. Zusammengerechnet summiert sich das Engagement aller auf 4,6 Milliarden Stunden – eine beeindruckende Zahl!

Aber: Was genau versteht man unter Ehrenamt in Deutschland? Wo stößt das Ehrenamt an seine Grenzen? Und welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es für Dich und Deine Organisation?

In diesem Artikel haben wir grundlegendes zu den Rahmenbedingungen von Engagement in Deutschland zusammengefasst. Du erhältst außerdem Infos, wie Du Dich für faire Strukturen im Ehrenamt stark machen und welche staatlichen Mittel Du in Anspruch nehmen kannst.

Auf dem Bild sieht man zwei Menschen. Eine junge Frau steht hinter einem Tisch und gibt einem Jungen vor dem Tisch was in die Hand.

Ehrenamt vs. freiwilliges Engagement

Eine feststehende Definition, was Ehrenamt bzw. freiwilliges Engagement genau bedeutet, gibt es nicht. Zentral ist beiden Begriffen lediglich, dass es sich dabei um eine freiwillige und am Gemeinwohl orientierte Arbeit handelt, die überwiegend unentgeltlich erfolgt. Darunter kann also ein breites Spektrum von Aktivitäten fallen, wie zum Beispiel das Mitmachen bei einem Clean-Up oder die 40-Stunden-Woche als ehrenamtlicher Vereinsvorstand.

Unter einem klassischen Ehrenamt wird traditionell eher eine Funktion oder ein offizielles Amt verstanden, z.B. als Schöff:in, Wahlhelfer:in oder Vorstandsmitglied eines Vereins.

Der Begriff des freiwilligen Engagements ist breiter gefasst und umfasst freiwillige Tätigkeiten in allen Bereichen der Gesellschaft.

Im Alltag verschwimmen die Begriffe jedoch und werden oft synonym verwendet. Ganz gleich ob von Ehrenamt oder freiwilligem Engagement die Rede ist: Herausfordernd wird es immer dann, wenn Geldzahlungen ins Spiel kommen oder das Ehrenamt einem Beschäftigungsverhältnis gleicht.

Ehrenamt vs. Sozialstaat

Es ist nicht unüblich, dass Engagierte auch grundlegende staatliche Versorgungsleistungen übernehmen. Beispiele dafür gibt es genug: in der Kinderbetreuung, bei Deutschkursen oder Übersetzungstätigkeiten, bei Fahrdiensten, in der Arbeit mit geflüchteten Menschen oder in der Pflege. Besonders Kommunen sind stark auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Daher werben sie verstärkt um Engagierte, die meist gegen eine geringe Aufwandsentschädigung bei kommunalen Versorgungsleistungen unterstützen. Das Ehrenamt wird so mancherorts zu einem Graubereich für informelle Tätigkeiten zwischen Erwerbstätigkeit und freiwilligem Engagement, in denen Freiwillige berufliche Tätigkeiten mit Gemeinwohlbezug (z.B. in der Pflege oder sozialen Arbeit) ohne entsprechende Ausbildung erfüllen.

Besonders für Menschen in prekären Lebenssituationen können Geldzahlungen motivierend wirken und das Ehrenamt für Einkommensschwache erst ermöglichen. Es birgt jedoch auch die Gefahr, Abhängigkeiten zu erzeugen, wenn Menschen auf diese Zuzahlungen angewiesen sind, anstatt eine ausreichende Rente oder Vergütung durch den Mindestlohn zu erhalten. Dies ist v.a. der Fall, wenn es sich um pauschale Aufwandsentschädigungen, geringfügige Bezahlungen und Honorare handelt. Ehrenamt und freiwilliges Engagement sind in einer Demokratie unverzichtbar. Wenn Freiwilligen jedoch zu viel zugemutet wird oder Engagierte den Personalmangel in einigen Bereichen kompensieren müssen, dann wird Engagement als Ressource entfremdet.

Wieso betrifft das Dein Projekt?

Dein Engagement und das Deiner Mit-Freiwilligen ist in erster Linie bewundernswert und toll. Nichtsdestotrotz sollte jede Organisation stets einen Blick darauf haben, welche Tätigkeiten von Ehrenamtlichen ausgeführt werden. Außerdem ist es wichtig, darauf zu achten, dass niemand an die eigene Belastungsgrenze stößt oder Abhängigkeiten entstehen.

Nachfolgend haben wir Dir einige Tipps zusammengestellt, mit denen Du die Engagementstrukturen in Deiner Organisation stärken kannst.

Auf dem Bild siehst Du eine ältere Frau die sitzt und eine jüngere Frau, die steht. Die jüngere Frau legt fürsorglich ihre Arme auf die Schulter der anderen Frau. Beide lächeln.

Tipps für die Praxis in Deiner Organisation:

  • Schließe Ehrenamtsvereinbarungen mit Deinen Engagierten ab: In einer von Engagierten und Organisation unterschriebenen Ehrenamtsvereinbarung kannst Du die Rahmenbedingungen und Grundlagen der Zusammenarbeit festhalten. Es ist ein Mittel, um zu bekräftigen und zu bestärken, dass beide Seiten das Engagement wollen und bewusst eingegangen sind. Eine Ehrenamtsvereinbarung sollte zudem folgendes enthalten: Der:die Engagierte übernimmt die Tätigkeit aus altruistischen Motiven und unentgeltlich und hat jederzeit die Möglichkeit das Ehrenamt/Engagement auch wieder zu beenden.  Idealerweise sicherst Du dem:der Freiwilligen auch zu, dass alle Auslagen, die im Rahmen des Engagements anfallen, erstattet werden.

  • Erwäge die Möglichkeit zur Zahlung einer Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschale: Mit der Übungsleiterpauschale können Vereine ehrenamtlich tätige Ausbilder:innen, Trainer:innen, Dozierende, Erzieher:innen, Pfleger:inen oder Künstler:innen mit bis zu 3.000 Euro im Jahr steuerfrei entlohnen. Auch die Ehrenamtspauschale ist eine Möglichkeit für gemeinnützige Organisationen, ihre Engagierten finanziell zu honorieren. Sie sieht keine Begrenzungen auf bestimmte Tätigkeiten vor, muss allerdings der Gemeinheit dienen und gilt nur für nebenberufliche Einkünfte. Sie beträgt steuerfrei 840 Euro im Jahr. Es ist möglich, einer Person sowohl die Übungsleiterpauschale als auch die Ehrenamtspauschale zu zahlen. Beide Pauschalen können (und sollten) in Förderanträgen mitberücksichtigt werden.

  • Organisiere und verbinde dich mit anderen Organisationen: Nur gemeinsam lassen sich die gesellschaftspolitischen Aufgaben der Zukunft bewältigen und ehrenamtliches Engagement nimmt hier eine wichtige Rolle ein. Gewerkschaften fordern z.B. ein, dass ehrenamtliche Arbeit als Arbeit anerkannt wird und dass über die Bedingungen dieser Arbeit geredet wird. Engagiere Dich mit Deiner Organisation in Bürger:innenengagement-Netzwerken wie beispielsweise dem BBE, um bürgerschaftliches Engagement zu stärken.

  • Ehrenamt ersetzt nicht den Sozialstaat: Soziale Arbeit oder Pflegearbeit benötigen Fachlichkeit und Kontinuität. Es ist wichtig zu unterscheiden, welche Aufgaben in Deiner Organisation von Ehrenamtlichen übernommen werden können und an welcher Stelle es die Fachlichkeit von Profis benötigt. Ehrenamt ist kein Ersatz für fehlendes qualifiziertes Personal .“Ehrenamt ist in unseren Diensten und Einrichtungen eine weitere Qualität – kein Ersatz für fehlendes Personal” – Caritas. Nur, wenn Sozialstaat und Ehrenamt zusammenkommen, entsteht eine starke Zivilgesellschaft.

  • Deine Organisation als gesellschaftliches Frühwarnsystem: Das Ehrenamt nimmt in der Gesellschaft oft eine Rolle als Frühwarnsystem ein. Es zeigt immer wieder Missstände auf, die erst mit gewissen Verzögerungen mithilfe von festen Strukturen und bezahlten Fachkräften korrigiert werden können. Ein Beispiel hierfür ist z.B. die AIDS-Hilfe in den 80er Jahren. Versuche mit Deinem Projekt darauf hinzuwirken, regelmäßig auf Missstände hinzuweisen und fordere von staatlichen Stellen ein, Strukturen aufzubauen.

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