Digitale Balance leben

Mit digitalem Stress und den Herausforderungen des digitalen Alltags umgehen

Verfasst von Tamara Weber

Digitaler Stress, digital fatigue, digitaler Burnout, digital detox, digitale Balance oder digitale Achtsamkeit – Themen und Begriffe, die mittlerweile eine bedeutende Rolle in unserem Alltag spielen oder es zumindest sollten. In der Arbeit, in der Freizeit, im Ehrenamt, überall wird digital gearbeitet oder kommuniziert und wir sind mit einer immensen digitalen Bildschirmzeit konfrontiert.

Gerade die Pandemie hat die Digitalisierung verstärkt und mehr in unseren Alltag gerückt. So treten nun auch immer mehr die Problematiken ans Licht, die die digitale Welt mit sich bringt.

Auf Grundlage zweier Gespräche mit Maike Engel von Digitale Balance und der Organisationspsychologin Katharina Ebner erfährst Du im Folgenden, welche Tipps und Tricks es gibt und was Du zum Thema digitaler Stress und digitale Balance wissen musst.

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Die Interviewpartnerinnen

Maike Engel hat mit Sandra Dorscher die Beratungsagentur Digitale Balance ins Leben gerufen, um Menschen eine nachhaltige Lösung im Umgang mit digitalem Konsum für den Alltag anzubieten. Impuls hierzu war zunächst das Konzept von Digital Detox. Die Idee, sich eine Auszeit aus der digitalen Welt zu nehmen, stieß auf viel positive Resonanz. Es kristallisierte sich jedoch mit der Zeit heraus, dass dieses positive Gefühl nach der Detox-Zeit im Alltag schnell wieder verloren geht. Die beiden Gründerinnen bieten daher Workshops als Hilfestellung für Einzelpersonen oder Gruppen an, um langfristig eine digitale Balance zu entwickeln und zu erhalten.

Katharina Ebner ist habilitierte Arbeits- & Organisationspsychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie setzt sich schon länger mit dem Thema Stressbewältigung auseinander. Mittlerweile wendet sie das Thema auch auf den Kontext der Digitalisierung an, da das, was uns Stress macht auf der Arbeit und privat, immer mehr mit digitalen Quellen zu tun hat. Sie untersucht in diesem Kontext u.a. mit Studierenden auf gradueller Ebene, wie dieser Stress durch digitale Medien genau entsteht.

Warum brauchen wir digitale Balance?

Auch im Kontext von Engagement und Ehrenamt ist die Digitalisierung zunehmend präsent: Digitale Veranstaltungen und Team-Meetings oder die Nutzung von digitalen Kommunikationsmitteln und Arbeitstechniken gehören in vielen Engagementbereichen mittlerweile dazu. Umso wichtiger wird es daher auch im ehrenamtlichen Engagement ein gesundes Maß beizubehalten und ein Gefühl für digitale Achtsamkeit zu entwickeln.

Wie kann das (digitale) Ehrenamt attraktiv bleiben vor dem Hintergrund, dass bereits unser Arbeitsalltag von digitalem Arbeiten geprägt ist? 

Was bedeutet digitaler Stress für uns?

Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts FIT ist digitaler Stress die „negative Beanspruchungsfolge durch Belastungsfaktoren im Umgang mit digitalen Technologien und Medien”.

Zunächst müssen wir uns einmal anschauen, was genau bei Stress im Körper passiert. Katharina Ebner erklärt dies wie folgt:

Bei einer Stressreaktion werden bestimmte Körperfunktionen heruntergefahren, wie z.B. das Verdauungssystem. Kurzzeitige Alarmbereitschaft in Stresssituation kann gut sein. Jedoch ist digitaler Stress in der Regel langfristig. Digitale Medien begleiten uns tagtäglich. Wenn diese bei uns eine Stressreaktion auslösen und wir somit langfristig in einer Stresssituation bleiben, kann dies gefährlich werden. Körperfunktionen leiden und es kann zu Herzerkrankungen und psychischen Erkrankungen kommen. Weitere Symptome sind unter anderem Nacken- und Rückenschmerzen, Sehnenscheiden-entzündungen, Schlafstörungen, innere Unruhe oder Sehstörungen. Kurz gesagt: Die Digitalisierung hat einen Einfluss auf den Körper und die Psyche.

Ziel von digitaler Balance, so Maike Engel, ist es, diesen Stress abzubauen, die Produktivität zu steigern sowie Kreativität zu fördern. Außerdem soll digitaler Müdigkeit vorgebeugt werden und die Motivation aufrechterhalten werden.

Engagierte sollten nicht aufgrund von digitalem Stress die Motivation für ein Ehrenamt verlieren!

Wie Du als Individuum digitale Balance leben kannst

Tipps von Katharina Ebner:

  • Mache Dir bewusst, dass Du als Nutzer:in gestalten kannst, wie Du mit dem Medium interagierst und umgehst. Ziel soll sein, das Medium so zu gestalten, dass Du weniger Stress empfindest.

  • Nutze Funktionen wie den Ruhemodus oder Nachtmodus Deines Smartphones.

  • Schalte Push-Benachrichtigungen aus.

  • Traue Dich, Dein E-Mail-Programm mal zu schließen.

  • Setze Dir selbst einen Rahmen und Grenzen.

  • Kläre mit der Organisation, wann Du erreichbar sein sollst.

Weitere Tipps:

Es ist wichtig, sich eine persönliche Arbeitsstruktur aufzubauen. Probiere:

  • Deine To-do-Listen mal ganz altmodisch wieder auf Papier oder in einem dafür vorgesehenen Notizbuch aufzuschreiben.
  • Dir feste Zeitlimits, wie lange Du online sein möchtest, zu setzen. Arbeite mit Zeiterinnerungen, damit Du Dich auch an diese hältst.
  • Bewusste Pausen abseits des Bildschirms in Deinen (Arbeits-) Alltag zu integrieren – vor allem Pausen an der frischen Luft sorgen für Abwechslung und Entspannung.

1. Bestandsaufnahme:

Schaffe ein Bewusstsein dafür, wo das Problem ist, welche Auswirkungen es hat und woran es liegen kann.

2. Frühjahrsputz: 

Was brauche ich? Welche Barrieren kann ich schaffen? (Stumm schalten, Bildschirmzeit & Zeit auf Social Media begrenzen, Erinnerungen zum Aufstehen oder Herausgehen, offline Zonen schaffen (z. B. Wohnzimmer)

3. ein Ziel setzen: 

Was ist Deine Balance? Z.B. weniger Bildschirmzeit oder mehr innere Ruhe

4. Maßnahmen auswählen, die Dich zum Ziel führen:

a) Z.B. von außen Stressoren verringern oder beseitigen 

mögliche Mittel: Erreichbarkeit eingrenzen

b) persönliche Weiterentwicklung und Aufbauen einer Resilienz

mögliche Mittel:  Entspannungstechnik wie Achtsamkeit oder Sport, Routinen aufbauen (nicht als Erstes ans Handy, sondern z. B. ein Buch lesen)

5. Maßnahmen immer wieder überprüfen

Der Prozess braucht Zeit und viele Wiederholungen, verliere daher nicht die Motivation! Es wird sich lohnen!

Als Hilfestellung bietet Digitale Balance eine kostenlose 28 Tage Challenge an.

Katharina Ebner und Maike Engel betonen, dass der alleinige Ansatzpunkt Individuum nicht ausreichend ist. Es ist auch an Arbeitgeber:innen, Organisationen und Teamleiter:innen, darüber nachzudenken, wie der digitale Stress für Hauptamtliche und Ehrenamtliche reduziert werden kann.

Wie Du als Organisation oder Teamlead digitale Balance leben kannst

Tipps von Maike Engel:

Zunächst ist zu bedenken, dass das Teamlead eine gewisse Vorbildfunktion hat und es daher die (digitale) Balance vorleben sollte (genügend Pausen machen, die eigenen Grenzen kennen, klar kommunizieren etc.).

Folgende Tipps unterstützen Dich und Deine Organisation auf dem Weg zur digitalen Balance.

  • Veranstaltungen draußen und offline durchführen, wenn möglich.

  • Bietet Schulungen & Einführungen zum Thema Zeitmanagement und zu (neuen) technischen Tools an.

  • Lieber weniger Tools, dafür mehr Effizienz

  • Tipps an Engagierte weiterleiten, Raum zum Besprechen schaffen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

  • Interaktive Gestaltung von digitalen Treffen

  • Rahmenbedingungen festlegen für die Arbeit der Ehrenamtlichen (zeitliche Fenster).

Digitale Balance auch im Online-Meeting:

Hierbei kommt es auf eine möglichst interaktive Gestaltung an. Dabei können unterschiedliche Online-Tools sehr hilfreich sein. Lerne in diesem Webinar mit Unity Effect mehr über interaktive Workshopgestaltung.

  • Nutze die Funktion der Breakout Rooms .
  • das Abspielen von Filmen oder Kurzvideos kann das Meeting auflockern.
  • Ein paar klassische Ideen: gemeinsam Dehnübungen oder Entspannungsübungen am Bildschirm zu machen, Fragerunden, Spiele mit Gestik (Schere, Stein, Papier).

Erfahre hier mehr zur interaktiven Workshopgestaltung.

  • Außerdem sind regelmäßige Pausen wichtig, besonders in längeren Meetings (für 5 min sollte jeder kurz weg vom Bildschirm gehen).
  • Versuche immer, die Meetings möglichst kurz zuhalten.

Idee: Versucht einmal Online-Gespräche mit Augen geschlossen zu führen (dabei sollte eine Person die Moderation übernehmen). Das schont zum einen die Augen, sorgt für etwas Abwechslung und kann zum anderen das Teamvertrauen stärken.

In bestimmten Kontexten bieten digitale Meetings viele Vorteile und sind eine geeignete Alternative zum Treffen in Persona.

Maike Engel legt es trotzdem jedem ans Herz, sobald die Möglichkeit besteht, eine Veranstaltung offline, also persönlich zu machen, dies zu tun. Ihre Erfahrung hat gezeigt, dass die Gruppendynamik und Kommunikation ganz anders sein kann.

Herausforderungen und wie Du mit ihnen umgehen kannst:

Nachrichten werden häufig asynchron versendet. Dadurch entsteht ein Druckgefühl, zeitnah antworten zu müssen, auch wenn der Druck in Wahrheit vielleicht gar nicht existiert.

Tipp: Ein wichtiges Mittel auf Teamleitung & Organisationsseite ist es, den Haupt- und Ehrenamtlichen mitzuteilen, wie und wann sie erreichbar sein sollten. Ein klarer zeitlicher Rahmen kann dabei helfen, dieses Druckgefühl zu beseitigen und zu verringern.

FOMO kann sich auch darin äußern, Angst zu haben, dass die Leute Dich dringend brauchen und Du jederzeit erreichbar sein musst. Und Du denkst, dass Du Dir daher keine Pausen oder Auszeiten des Engagements erlauben darfst. Dein Ehrenamt und Engagement sind wichtig, aber das heißt nicht, dass Du immer verfügbar sein musst.

Auch hier kann das Vorleben als Teamleiter:in eine wichtige Rolle spielen. Wenn jemand einem noch zu späterer Uhrzeit schreibt, könnte man denken, dass das die Norm ist oder gleichermaßen von einem selbst erwartet wird.

Tipp: Übertrage nicht die Arbeitsweisen anderer auf Dich, jede:r leistet das, was er:sie kann und möchte und hat seine:ihre ganz persönlichen Kapazitäten.

Übermäßige Mediennutzung kann dazu führen, dass man sich schlechter erholen kann. Daher ist es wichtig, sich von der Arbeit loszulösen (“Detachement”).

Tipp: Ziehe Grenzen und gebe Dir digital-freie Zeit für eine volle Erholung.

Das entsteht in der Regel auch als eine Folge digitaler Erschöpfung. Oft fällt es nach einem langen Arbeitstag schwer, noch weiter zuzuhören oder Neues zu lernen.

Tipp: Schaffe Dir genügend Pausen, und kontrolliere regelmäßig, ob Du wirklich noch interessiert bist am Bereich Deines Engagements. Dein Interesse und Deine Leidenschaft hinter Deinem Engagement sind wichtig für die Motivation. Schaue ansonsten nach neuen Projekten oder anderen Aufgaben, die Du für Deine Organisation übernehmen könntest.

Ein hoher Medienkonsum bringt oft viele negative Schlagzeilen mit sich, die man tagtäglich liest.

Tipp: Schaffe einen Ausgleich mit positiven News (als Teamlead kannst Du diese auch gerne mit Deinem Team teilen). Good News bringt zum Beispiel tägliche positive Neuigkeiten.

Der ständige Prozess, sich in neue und andere Tools einzuarbeiten oder Infos zu übertragen, kann Stress verursachen. Denn auch bei den Tools gibt es regen Wandel und es kommen immer wieder Neue auf den Markt.

Tipp: Daher lieber effiziente Arbeit und nicht zu viele Tools. Bevor Deine Organisation ein neues Tool etabliert, nimm Dir die Zeit sicherzugehen, dass es sich um die beste Alternative handelt. Stelle sicher, dass das Tool Deiner Organisation langfristig nützlich sein wird. Biete beim Start Schulungen und Hilfestellungen an (z.B. in Form einer festen Ansprechperson, die „Profi“ ist) und gebe jedem Einzelnen die Zeit, sich mit dem neuen Programm vertraut zu machen.

Bei Social Media Aktivitäten oder der Arbeit mit digitalen Medien kann schnell das Zeitgefühl bzw. das Ziel verloren gehen. Das liegt zum einen daran, dass manche Apps explizit darauf angelegt sind Ihre Nutzer: innen möglichst lang online und “beschäftigt” zu halten. Zum Anderen switcht man von einem Programm zum anderen und hat dann ganz vergessen, womit man eigentlich gerade angefangen hat.

Tipp: Setze Dir daher klare Aufgabenziele und Zeitfenster, in denen Du diese bearbeiten möchtest.

Kreativität ist besonders wichtig für ehrenamtliche Ideen und Projekte. Neue Ideen entstehen erst, wenn man zwischendurch immer wieder Abstand zu digitalen Medien nimmt und Zeit für sich hat.

Tipp: So können Entspannung, viel Zeit im Freien und soziale Kontakte Deine Kreativität fördern und ihr wieder neuen Raum geben sich zu entfalten.

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